In der öffentlichen Rechtfertigungsdebatte von Messeinvestitionen ist die Umwegrentabilität legendär. In immer neuen Studien wurde und wird nachgewiesen, dass für jeden Euro Messeumsatz, je nach Berechnungsmethode, zwischen fünf und zehn Euro in die Kassen von Hotellerie, Gastronomie, Dienstleistern und natürlich auch in die Staatskasse gespült würden. Auch jetzt liest man wieder vermehrt von diesen Sekundär- und Tertiäreffekten der Messewirtschaft. Doch welche Bedeutung hat dies in Zeiten, da sich Messen im Wettbewerb um neu und anders fokussierte Marketingbudgets ihrer Kunden befinden (Bild: Shonda Ranson/Pixabay)?
Kolumne von Oliver Schmitt
Die Messe Stuttgart hat jüngst in einem Linkedin-Post eine beeindruckende Zahl veröffentlicht: Allein während der 2018er Ausgabe der R+T verbuchte die Stuttgarter Hotellerie durch die Messe induzierte 230.000 Übernachtungen – und das in nur fünf Tagen. Das ist ein wahrhaft Respekt einflößender Wert. Und an die Politik gerichtet, möge diese Zahl ihre Wirkung hoffentlich nicht verfehlen. Denn der nächste Herbst kommt bestimmt. AUMA Vorsitzender Philip Harting tut gut daran zu fordern, dass die Messewirtschaft in Deutschland keine weitere Eiszeit mehr fürchten muss.
Und doch bleibt bei näherer Betrachtung ein schaler Beigeschmack. Als kundenzentrierte Dienstleister sind Messeveranstalter angehalten, sich auf den Nutzen für ihre Kunden zu fokussieren: Mehrwert statt Umwegrentabilität, heißt da die Devise. Und das in einem sich stetig verschärfenden Wettbewerb um die Marketingbudgets der Aussteller und die Aufmerksamkeit der Besucher. Denn für den potenziellen Teilnehmerkreis einer Messe sind volkswirtschaftliche Wachstumsimpulse durch ausgebuchte Hotels und Restaurants im besten Fall „nice to have“. Im ungünstigeren Fall sind sie Grund, sich über hohe Preise und schlechte Verfügbarkeit zu ärgern.
Was also tun? Mich beschleicht ein zweischneidiges Gefühl, wenn ich den aktuellen Jubel über endlich wieder stattfindende Messen beobachte. Da ist viel von „endlich wieder“, von „Gänsehautmomenten“ und von der „persönlichen Begegnung“ die Rede. Ganz gewiss sind das überzeugende Assets von Messen. Andererseits nehme ich wahr, dass viele Messeveranstalter noch immer in ihrer Rolle als teilnehmende Beobachter aufgehen, die perfekt organisierte Face-2-face-Plattformen für ihre Kunden auf die Beine stellen und sich nach getaner Arbeit in alter Väter Sitte und zufrieden zurücklehnen.
Wenn es aber darauf ankommt, in digital dominierten Wertschöpfungsketten des Marketings zu bestehen, dann braucht es die viel beschworene Anschlussfähigkeit eben daran. Und das heißt konkret: Sich schnell und tief in Märkte einarbeiten, auf Augenhöhe und ganz direkt mit den Stakeholdern arbeiten. Neue, maßgeschneiderte Formate mit neuen Touchpoints entwickeln. Verständliche und überzeugende Geschäftsmodelle gestalten. Und, last but not least, echten Mehrwert schaffen, der über das Altbekannte hinausgeht. Dann können wir die Umwegrentabilität der Politik vor die Nase halten und uns währenddessen darauf konzentrieren, unsere Kunden erfolgreich zu machen. Und dann kommt unser Erfolg ganz ohne Umwege.