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Donnerstag, 15. Juli 2021

Der Blick nach vorn: "Shared Attention" ist doppelte Aufmerksamkeit


Es war ja klar, dass uns in Zeiten von Pandemie und fortgesetzter Lockdowns etwas fehlt. Seit dem Vortrag von Prof. Dr. Dr. Fuchs an der FAMA Messefachtagung ist mir auch klarer, was genau das Fehlende ausmacht: Geteilte Aufmerksamkeit oder „shared attention“.

In seinem Vortrag schlägt Fuchs einen äußerst erhellenden Bogen, warum die leibliche Präsenz ohne Kameras und Bildschirme so einen großen Unterschied für uns Menschen macht: „Erst wenn wir andere sehen und von ihnen gesehen werden, erleben wir uns als wirklich, nämlich einer gemeinsamen Welt zugehörig, so dass wir einander Dinge zeigen, uns über sie austauschen und verständigen können, ohne dass wir es dabei nur mit unserer Innenwelt oder nur mit Scheinbildern zu tun haben.“

Die zwischenleibliche Resonanz ist es dann auch, die z.B. im Videostreaming auf der Strecke bleibt. Gesamtgestik und feine Signale des Gesichtsausdrucks sind nicht vollständig wahrnehmbar. Dadurch entsteht ein Verlust gemeinsamer Wirklichkeit. Laut Fuchs äußert sich dies bereits im Kindesalter, wenn die Kleinen nämlich lernen, welche Folgen das Auf-Etwas-Zeigen hat: „Das Kind begreift, dass es eine andere Perspektive auf die Dinge gibt, die sich von der eigenen unterscheidet.“

Für uns Messemenschen sind das gute Nachrichten, wenngleich sie keine Absolution bedeuten. Die physische Begegnung ist für Menschen von allerhöchstem Wert, wenn es darum geht, miteinander zu interagieren oder Handel zu treiben. Somit haben Messen durchaus das Zeug zur Königsdisziplin im wirtschaftlichen Austausch. Gleichwohl haben digitale Kanäle ihre eigenen Stärken, denen sich Präsenzveranstaltungen nicht länger entziehen können. Wie an dieser Stelle schon so oft gesagt: Um ihre Premiumfunktion wirksam ausspielen zu können, müssen Messen anschlussfähiger werden an die „digital first“ Welt des Marketings.

Wie immer, wenn man den Wettbewerb von der Spitze aus betrachtet, tun wir gut daran, nicht in verfrühten Jubel zu verfallen, sondern uns an die Arbeit zu machen und etwas aus unserem Vorsprung zu machen. Denn nur dann werden wir ihn übers Ziel retten können.

Fragen über Fragen: Die Tücken des EU-Beihilferechts


Wie an anderer Stelle in diesem Rahmen bereits berichtet, kümmert sich das Forum Veranstaltungswirtschaft mit großem Einsatz um die Berücksichtigung der Belange unserer Branche bei der Politik. Zuletzt wurden neue Fragen aufgeworfen, die sich im Zusammenhang mit der EU-Beihilferegelung stellen. Diese Fragen hat das Forum Veranstaltungswirtschaft an das BMWi zur Klärung gestellt. 

So ist zum Beispiel in der Information des BMWi von nur einer Schadenersatz-Berechnung die Rede, während die EU zwei unterschiedliche Ansätze kennt. Hier gilt es zu klären, inwiefern beabsichtigt ist, die bisherige Schadendefinition zu ändern und wie genau der tatsächliche Schaden nunmehr ermittelt werden soll. 

Um Beihilfen auf das erforderliche Minimum zu beschränken, sind laut EU die Begünstigten verpflichtet, alle zumutbaren Maßnahmen zur Schadensminderung zu ergreifen. Hier gilt es zu klären, ob es eine neue Liste von zumutbaren Maßnahmen geben wird, welche im Nachhinein die berechtigte Höhe der Hilfszahlungen beeinflusst.

Im Hinblick auf Ex-Post-Kontrollen und eine mögliche Überkompensation steht zu klären, ob es schon Vorgaben zum Prüfungsverfahren durch die Finanzämter gibt. Außerdem soll geklärt werden, ob es zukünftig eine Neudefinition des Schadens, mithin die Ermittlung eines „genaueren Schadens“ geben soll.

Dies ist nur ein Auszug aus den umfassenden Aktivitäten des Forums Veranstaltungswirtschaft und soll aufzeigen, wie komplex die Verhandlungen und Abklärungen im Hintergrund sind. FAMA Mitglieder erhalten, im Bedarfsfall auch durch entsprechende Ad-hoc-Kommunikation, frühzeitig Einblick in die gewonnenen Erkenntnisse.

FAMA wächst weiter: Sechs neue Mitglieder aufgenommen


Sechs neue Mitglieder hat der FAMA anlässlich der (digitalen) Mitgliederversammlung im Vorfeld der Messefachtagung aufgenommen. Neu dabei im FAMA sind:

MV service-werbung GmbH: Das Unternehmen veranstaltet die Chamlandmessen in der Oberpfalz.

FLEET Events GmbH: Zum Portfolio des Hamburger Unternehmens zählen die Babywelt-Messen, die Eat&Style-Messen, die CHEF-SACHE, die Man’s World, aber auch Fachmessen wie PHOTONICS+ oder die W3+ FAIR und der Deutsche Schulleitungskongress.

CCS Congress Centrum Saar GmbH: Das Unternehmen aus Saarbrücken ist in die Fußstapfen der Saarmesse getreten und veranstaltet die „reisen & freizeit“, die „genuss werk“ und die „haus & garten“ am Standort Saarbrücken.

Liveline Connect GmbH: Das Karlsruher Startup hat die Plattform entwickelt, auf der u.a. die hybriden FAMA Messefachtagungen laufen. Zu den Kunden zählen u.a. auch die INTERGEO, die Arbeitsschutz aktuell und die INNOTEQ der Bernexpo (CH). 

MEPLAN GmbH: Das Tochterunternehmen der Messe München kommt aus den Feldern Messebau und -planung, hat aber in den letzten Monaten auch innovative Lösungen für digitale und hybride Veranstaltungen entwickelt.

Gesellschaft für Handwerksmessen mbH: Das Münchner Unternehmen steht wie kein anderes für das Handwerk. Dieter Dohr, Vorsitzender der Geschäftsführung, kommentiert die Motive für die FAMA Mitgliedschaft der GHM wie folgt:

„Wir gehen heute einen wichtigen Schritt und werden Teil der FAMA-Familie. Den Austausch im Kreise anderer privater Messeveranstalter zu Themen, die uns und die gleichgelagerten Kollegen bewegen und herausfordern, erachten wir als notwendigen und synergiebringenden Schulterschluss. Dieses Zusammenstehen hat sich gerade in den zurückliegenden Pandemie-Monaten sehr bewährt, in denen der FAMA die Interessen seiner Klientel mit Bravour vertreten hat. Die Gestaltung der Branchenzukunft mit breit aufgestelltem Know-how, gebündelt und mit starker Stimme wird gerade jetzt noch wichtiger, wo sich das Messewesen im Zusammenspiel der Geländebetreiber und Gastveranstalter sowie aller betroffenen Branchenpartner wieder neu aufstellt. Wir als GHM werden unsere Erfahrungen und Ideen einbringen, um Hand in Hand mit den anderen FAMA-Mitgliedern die Belange, gerade privater Messeveranstalter noch schlagkräftiger sichtbar zu machen.“

Wir freuen uns über die neuen Mitglieder und wünschen ihnen gutes Networking im Kreise des FAMA.

Frauen in Führungspositionen: FAMA beschließt Selbstverpflichtung


Die Initiative „Women in Exhibitions D-A-CH“ hat eine freiwillige Selbstverpflichtung formuliert, um in der Messewirtschaft mehr Frauen in Führungspositionen zu bringen. Anlässlich der Mitgliederversammlung des FAMA haben die Mitglieder diese Initiative nun – als erster Verband überhaupt – einstimmig beschlossen. FAMA Vorstandsmitglied Carola Schwennsen (Deutsche Messe) hat dies nicht nur unterstützt, sondern zählt auch zu den Gründungsmitgliedern von WIE D-A-CH.

Leibliche Präsenz: Was sie bedeutet und warum wir sie brauchen


Wer den Vortragstitel im Programm gelesen hat, mag sich verwundert die Augen gerieben haben: Ein Professor der Psychiatrie spricht über Leiblichkeit? Wer sich den Vortrag von Prof. Dr. Dr. Thomas Fuchs (Uniklinik Heidelberg) angesehen hat, der fühlte sich eher erhellt (Foto: FAMA).

Was wir alle in den zurückliegenden Monaten intuitiv gespürt haben, „Digital Fatigue“, Abgeschlagenheit oder Unvollkommenheit nach digitalen Begegnungen etwa, dafür gab Prof. Fuchs überraschend plausible Begründungen aus der psychosozialen Forschung. 

Am Modell der „Shared Attention“ erläuterte er beispielsweise, warum es so wichtig ist, dem Geschehen in einem Raum, aber auch einander die geteilte Aufmerksamkeit zu schenken. Auf einer Mikroebene würden dabei so viele implizite „Daten“ über das gemeinsam Betrachtete ausgetauscht, dass digitale Kanäle damit hoffnungslos überfordert sind. Im Grunde lieferte Fuchs mit seinem Vortrag eine anthropologische Herleitung für das Stärkenprofil von Face-2-Face-Kommunikation.

Chancengleichheit am Messeplatz D: Corona verschärft das Problem

  • Gutachten mahnt fehlende Chancengleichheit zwischen öffentlichen und privatwirtschaftlichen Messeunternehmen in Deutschland an
  • Ungleiche Liquiditätshilfen erhöhen im Messegeschäft die Staatsquote
  • Haucap: „Als würde ein Flughafen gleichzeitig eine Airline betreiben“

Er weiß, wovon er spricht: Von 2006 bis 2014 war er Mitglied der Monopolkommission der deutschen Bundesregierung und legte mit seiner wissenschaftlichen Expertise im Bereich der Wettbewerbsökonomie die Grundlagen für die Regulierung netzbasierter Branchen wie Telekommunikation, Elektrizität und Verkehr. Er, das ist Professor Dr. Justus Haucap, der als einer der versiertesten und einflussreichsten Ökonomen in Deutschland gilt.

Jetzt untersuchte der Professor für Wettbewerbstheorie und -politik an der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf die „Chancengleichheit am Messestandort Deutschland“. Die Ergebnisse, die im Rahmen der FAMA-Messefachtagung in Hannover vorgestellt wurden, machen deutlich: Durch die Pandemie hat sich die wettbewerbsrechtliche Chancen-Ungleichheit und Asymmetrie im Wettbewerb von öffentlichen und privaten Messeunternehmen nochmals verschärft. Viele private Veranstalter haben das Nachsehen, einige stehen vor dem Aus (Foto: FAMA).

Der Messestandort Deutschland ist weltweit einmalig. Vier der zehn größten Messegelände der Welt sind hier beheimatet, fünf der zehn umsatzstärksten Messeveranstalter sind hier ansässig und zwei Drittel aller weltweiten Leitmessen finden auf deutschem Boden statt.

Doch nicht nur in seiner Leistungsfähigkeit ist der Messestandort Deutschland einzigartig in der Welt – auch in seiner Struktur und dem Geschäftsmodell dahinter. Denn im Unterschied zum „Rest“ der Welt ist das Mutterland der Messen geprägt von öffentlichen Messegesellschaften im Besitz von Stadt und Land sowie privaten, inhabergeführten und verbandsnahen Messeveranstaltern ohne Grund und Boden. Erste betreiben die Geländeinfrastruktur und treten gleichzeitig als Veranstalter mit ihren sogenannten „Eigenmessen“ auf. Zweitere dagegen, vielfach familiengeführte Unternehmen sind „reine“ Gastveranstalter – zwar mit gutem Grund, aber eben ohne eigenen Boden, so dass sie ihre Hallen anmieten müssen.

Defizite in Milliarden-Höhe im zweiten Jahr in Folge

Normalerweise prägen diese Veranstaltungen das Messegeschehen in Deutschland zu gut einem Viertel. Doch was ist in der Pandemie schon normal: Mehr als 1.000 Messen wurden seit dem ersten Lockdown allein in Deutschland abgesagt, fast 5.000 sind es weltweit. Und auch im laufenden Jahr erwartet die Branche, dass 70 Prozent der Veranstaltungen nicht stattfinden werden. „Defizite in Milliardenhöhe im zweiten Jahr in Folge“, erwartet deshalb Henning Könicke, Geschäftsführender Vorstandsvorsitzender des FAMA.

Ungleiche Liquiditätshilfen sind ein massiver Markteingriff

Und damit beginnt das eigentliche Problem: Während die Verluste der öffentlichen Messegesellschaften aus Mitteln der Kommunen und Länder ausgeglichen werden und darüber hinaus weitere 642 Millionen Euro vom Bund zur Verfügung stehen, die ausschließlich den Betreibern der Messe- und Kongresszentren zur Überbrückung zufließen, stehen den privaten Veranstaltern lediglich Mittel aus der Überbrückungshilfe III zu. Angesichts des nahezu vollständigen Umsatzausfalls seit März 2020 reichen diese jedoch nicht aus. Die Konsequenzen daraus sind gravierend. Das unterstreicht auch Prof. Dr. Justus Haucap in seinem Gutachten: „Die derzeitigen staatlichen Hilfsmaßnahmen für die Messewirtschaft in Deutschland verschärfen die ohnehin bestehende Asymmetrie im deutschen Messemarkt und drohen zur Wettbewerbsverzerrung zwischen öffentlichen und privaten Unternehmen zu werden“, so Prof. Dr. Justus Haucap in seinem Gutachten. Denn die zur Verfügung gestellten Mittel dienen keineswegs nur dem Erhalt der Infrastruktur; mit ihnen werden auch die Defizite aus dem operativen Veranstaltungsgeschäft abgefedert: „Diese Konstellation mit den Vorteilen eines eigenen Messegeländes und der öffentlichen finanziellen Absicherung generiert klare Wettbewerbsvorteile“, so Haucap, „das ist so, als würde ein Flughafen gleichzeitig eine Airline betreiben“.

Gefahr der Selbstbevorzugung vertikal integrierter Messegesellschaften

In dieser Konvergenz der Geschäftsmodelle, für die es nach Einschätzung von Haucap keinen öffentlichen Auftrag gebe, nimmt auch der „Reiz der Selbstbevorzugung durch die vertikal integrierte Doppelfunktion als Messeplatzbetreiber und Messeveranstalter zu“. Dazu könne es zählen, dass Benachteiligungen etwa beim Zugang zu Messe-Terminen entstehen und der Marktzutritt bestehender oder potenzieller Wettbewerber behindert werde, da es keinen regulierten Zugang wie beispielsweise beim Schienenverkehr, den Stromnetzen oder der Telekommunikation gebe: „Ohne konkrete Regelungen kann es keine echte Chancengleichheit beziehungsweise einen funktionierenden Wettbewerb am Messestandort Deutschland geben“, so sein abschließendes Fazit.

Code of Conduct als Grundlage für faire Wettbewerbsbedingungen

Eine Grundlage dafür könnte im ersten Schritt die Verständigung auf einen „Code of Conduct“ sein, wie ihn der FAMA bereits 2016 vorgelegt hat, um faire Wettbewerbsbedingungen bei der Terminvergabe, dem transparenten und fairen Umgang sowie dem Schutz von Veranstaltungsthemen zu ermöglichen. Bislang wurde dieser Code of Conduct noch von keiner der großen öffentlichen Messegesellschaften unterzeichnet.

Dazu Henning Könicke: „Die Sicherung der Infrastruktur am Messeplatz Deutschland ist zwingend notwendig. Sie ist aus volkswirtschaftlicher Sicht sinnvoll, um die Leistungsfähigkeit des Messestandorts Deutschland zu erhalten. Es ist jedoch sicher nachvollziehbar, dass auch die privaten und verbandseigenen Messeunternehmen, darauf angewiesen sind, dass sie beim Erhalt ihrer Messen ebenso unterstützt werden und die aktuelle Not- Situation nicht dazu führt, dass die Liquiditätshilfe für die öffentlichen Gesellschaften für Übernahmen und den Aufbau zusätzlicher Wettbewerbsveranstaltungen genutzt werden. Wir jedenfalls sind bereit zum Dialog – mit den öffentlichen Messegesellschaften und der Politik in ihrer ordnungspolitischen Verantwortung“. Eine weitere Prüfung und Bewertung der Ergebnisse stehe nach seinen Worten noch aus.

Zukunftschancen durch die Krise: Generation Z bezieht Stellung


Raphaël Müller
, Leiter Industrial Solutions der Brütsch/Rüegger Werzeuge AG, provozierte mit seinem Vortragstitel „Ich weiß nicht, ob Messen die Zukunft sind, um neue Kunden zu treffen“. Zugleich wies er aber darauf, hin, dass sein Unternehmen mit der Digitalisierung ihres Großhandelsgeschäfts bereits vor zwanzig Jahren angefangen hätten. Viele Unternehmen unterschätzten den Aufwand für gute digitale Angebote (Foto: FAMA).

Vincenz Hinte (Studierender DHBW Ravensburg) erzählte von seinen Mediengewohnheiten und ist sich sicher, dass er auch in Zukunft noch als Besucher auf Messen gehen werde. Damit widerlegte er das verbreitete Klischee, dass Millennials nichts mehr mit Messen anfangen können. Sein Credo lautete: Messen benötigen einen digitalen Gatekeeper, um Kunden für sich zu gewinnen und auch zu binden.

Kim Hünemeier und Jana Ellwanger (beide Studierende HS Düsseldorf) stellten Ergebnisse ihrer Arbeit zur Monetarisierung digitaler und hybrider Messeformate vor. Unerlässliche Basis seien Usability, schnelle Ladezeiten und technische Unterstützung. Unabhängig davon sehen die beiden Themen wie Vertrauensbildung und Interaktion in der digitalen Welt erschwert. Ihr Fazit lautete: Kunden erwarten neue, innovative Konzepte seitens der Messeveranstalter. Eine Befragung ergab, dass dann 80% nach der Corona-Pandemie wieder auf physischen Messen präsent sein wollen.

Die Moderation erfolgte durch Dr. Urs Seiler (Smartville).

Neustart konkret: Politik muss Rahmenbedingungen verbessern


Wolfgang Tiefensee
, Wirtschaftsminister im Freistaat Thüringen, setzte sich in seiner Vision-Note mit der Transformation unserer Gesellschaft durch die beschleunigte Digitalisierung im Zuge der Corona-Pandemie auseinander. Dabei beklagte er den Attentismus als von Opportunismus bestimmte, abwartende Haltung im Konzert der Bund-Länder-Abstimmungen (Foto: FAMA).

Jörn Holtmeier, Geschäftsführer des AUMA, forderte indes eine Abkehr von inzidenzbasierten Regeln für Messen. Angesichts des professionellen Umfelds und der erfolgreich verlaufenden Impfkampagne sei dies nicht länger angemessen. 

Benedikt Binder-Krieglstein (CEO Reed Exhibitions A/D) sieht Corona als Treiber zur Weiterentwicklung der Messebranche und konstatierte, dass sich die Messewirtschaft zu lange auf ihren Lorbeeren ausgeruht habe. Er sieht die Zeit gekommen für eine Einbettung von Messen in einen 365-Tage-Kommunikationskontext.

Präferenz für Präsenz: Aussteller und Besucher vermissen Messen


Neu-Start statt Re-Start: Aussteller und Besucher haben klare Vorstellungen davon, wie sich Messen neu ausrichten sollten, um als Branchen-Event an Reichweite und Relevanz zu gewinnen. Dass es eine Präferenz für die physische Präsenz auf Messen gibt, steht für die absolute Mehrheit der Befragten außer Frage. Gleichzeitig wird deutlich: Die Weiterentwicklung hybrider Formate wird von den Kunden vielfach erwartet. So die zentralen Ergebnisse einer Studie, die vom FAMA in Zusammenarbeit mit dem AUMA und IDFA in Auftrag gegeben wurde. Prof. Dr. Sven Prüser präsentierte die Ergebnisse auf der FAMA Messefachtagung, die am 28. und 29. Juni im H‘Up der Deutschen Messe AG in Hannover stattfand (Foto: FAMA).

Präsenz, hybrid oder rein digital: Der Substitutions- Debatte erteilte der „Messe-Forscher“ Prof. Dr. Prüser, tätig an der Hochschule für Technik und Wirtschaft Berlin, gleich zu Beginn eine Abfuhr: „Aussteller und Besucher vermissen Messen“, so seine zentrale Messe-Message, gestützt auf eine repräsentative Umfrage, die vom FAMA in Kooperation mit dem AUMA und der IDFA im Vorfeld der Messe-Fachtagung in Auftrag gegeben worden war. Mehr als 70 Prozent der Unternehmen geben an, dass die Absage und das Nicht-Stattfinden von Messen ganz überwiegend negative Auswirkungen auf den Geschäftsverlauf hatten. Gefragt nach den Gründen werden vor allem die eingeschränkte oder unzureichende Neukundengewinnung (72%), die nicht ausreichende Produktdarstellung (69%) sowie die Handicaps in der Bestandskundenpflege genannt. Drei Zielsetzungen, die auch in früheren Befragungen schon fast traditionell als zentrale Motivation für eine Messeteilnahme genannt wurden. „Präsenzmessen stehen noch immer für Orte der Innovation, der Inspiration, der Interaktion und der informelle Kontakt, die eher zufällig stattfinden – daran hat die Pandemie nichts geändert“, so Prüser.

Scheuklappen gegenüber neuen digitalen oder hybriden Formaten gibt es indes nicht, im Gegenteil: Hatten sich vor der Pandemie lediglich zehn Prozent der Unternehmen an Online-Messen beteiligt, so stieg der Anteil auf jetzt 92 Prozent; bei den hybriden Veranstaltungen erhöhte sich der Wert von zwölf auf 88 Prozent. „Digitalen Spielereien erteilen die Unternehmen eine klare Absage“, so Prüser. Das gilt vor allem für das Setup digitaler Messehallen (62% Ablehnung) und Avatare (82%). Dagegen halten zwei Drittel die animierte Präsentation von Exponaten für sinnvoll oder sogar sehr sinnvoll. Das gilt auch für den Bereich des Wissenstransfers, der über die Präsenzveranstaltung hinaus On-Demand verfügbar ist. Ein klares Votum dafür, das fachliche Programm auch künftig online auszuspielen. Denn 70 Prozent der Befragten wollen auch in Zukunft an mehr oder sogar deutlich mehr Kongressen teilnehmen.

Sein Fazit: „Die Präferenz für Präsenzveranstaltungen darf nicht dazu verleiten, den „Feuermelder“ abzustellen. Die Pandemie hat dazu geführt, dass die Customer Journey in Teilen neu definiert wurde. Vieles spricht dafür, dass Messen künftig ein Präsenz- Element in der zunehmend digitalisierten Kunden-Interaktion sein werden. Die Chancen stehen gut, diese Position auszubauen, doch dazu wird es künftig notwendig sein, selbst digitale Vermarktungsketten anzubieten, gegebenenfalls mit Partner.“

Mit Kompetenz durch den Wandel: Starke Messefachtagung des FAMA in Hannover


Vom 28. bis 29. Juni 2021 fand die Messefachtagung des FAMA im hybriden Event-Hub „H’Up“ der Deutschen Messe AG in Hannover als Hybridveranstaltung statt. Sechs abwechslungsreiche Themenblöcke prägten das Programm unter dem Motto „Mit Kompetenz durch den Wandel“ (Foto: FAMA).

Den Beginn machten Prof. Dr. Sven Prüser (HTW Berlin) und Prof. Dr. Thomas Bauer (DHBW Ravensburg) mit der Vorstellung ihrer Studienergebnisse. Im Anschluss diskutierten Constanze Kreuser (FAMA Vorstandsmitglied), Hendrik Hochheim (AUMA) und Roland Bleinroth (IDFA) mit Dr. Mike Seidensticker (Seidensticker Kommunikation) die Studienergebnisse.

Danach folgte der zweite Themenblock unter dem Titel „Neustart konkret“. Wolfgang Tiefensee, Wirtschaftsminister des Freistaats Thüringen trug seine Vision Note vor und diskutierte im Anschluss mit Jörn Holtmeier (AUMA) und Benedikt Binder-Krieglstein (Reed Exhibitions A/D) unter Moderation von Christiane Appel (m+a report).

Den Abschluss des ersten Tages markierte Dr. Urs Seiler (Smartville) unter dem Motto „Zukunftschancen durch die Krise“. Raphaël Müller (Brütsch/Rüegger Werkzeuge) setzte sich in seiner Vision Note mit der Zukunft von Messen auseinander und diskutierte im Anschluss mit den Studierenden Vincenz Hinte (DHBW Ravensburg), Jana Ellwanger und Kim Hünemeier (beide HS Düsseldorf).

Zum Einstieg in den zweiten Tag stellte Prof. Dr. Justus Haucap (DICE) sein Gutachten zur Chancengleichheit am Messeplatz Deutschland vor. Martin Glöckner (FAMA Justitiar) und Thilo Könicke (AFAG) ordneten das Gesagte juristisch und praktisch ein. In der abschließenden Diskussion vertrat Dr. Jochen Köckler (Deutsche Messe) die Perspektive der öffentlichen Messegesellschaften und diskutierte mit seinen Vorrednern und Hans-Joachim Erbel (FAMA Vorstandsmitglied) unter der Moderation von Oliver Schmitt (agendum).

Nach den Best-Case-Circles (fünf an der Zahl) sorgte Prof. Dr. Dr. Thomas Fuchs (Uniklinik Heidelberg) mit seinem Abschlussvortrag „Leibliche Präsenz und warum wir sie brauchen“ für eine hilfreiche Einordnung über den Wert persönlicher Begegnung.