FAMA Vorsitzender Henning Könicke |
Dem Mutterland der Messewirtschaft drohen Verluste in Milliardenhöhe. Allein für die 15 größten Messeplätze in Deutschland rechnet der Fachverband Messen und Ausstellungen FAMA bis zum Jahresende mit einem Fehlbetrag von gut einer Milliarde Euro. Hinzu kommen weitere mehrere Hundert Millionen, die bei den inhabergeführten, privaten und verbandseigenen Messeunternehmen auflaufen.
„Einigen droht das Aus“, so der in Karlsruhe neu gewählte FAMA-Vorstandsvorsitzende Henning Könicke. Denn im Unterschied zu den öffentlich-rechtlich organisierten Messegesellschaften, die Liquiditätshilfen aus Landes- und Kommunalmitteln zum Verlustausgleich erhalten, stehen inhabergeführten und privaten Messeunternehmen diese Mittel bisher nicht zur Verfügung. Bundesweit machen sie fast ein Viertel des Messeprogramms in Deutschland aus.
„Die bisher verfügbaren Unterstützungsmaßnahmen von Bund und Länder reichen für private Messeveranstalter nicht aus, um den Fortbestand zu sichern“, so Könicke. Das gelte auch für die so genannte November-Hilfe, deren Fördermittel dem turnusbedingt stark differierenden Geschäftsverlauf von Messeveranstaltungen nicht gerecht werden. Durch den neuerlichen Lockdown und der fehlenden Planungssicherheit für das Wiederanfahren der Veranstaltungen im 1. Quartal 2021 hat sich die Lage für die Messewirtschaft weiter verschärft. Mehr als 1.000 Messen wurden allein im laufenden Geschäftsjahr in Deutschland abgesagt, weltweit sind es inzwischen mehr als 5.000.
Messen sind systemrelevant für den Wirtschaftsstandort
Die Schäden, die dadurch entstehen, haben volkswirtschaftliche Dimensionen. Denn bundesweit belaufen sich die durch Messen initiierten Produktionseffekte für die heimische Wirtschaft auf jährlich rund 28 Milliarden Euro. So die Ergebnisse einer vom AUMA beauftragten Ifo-Studie. Darüber hinaus sichert die Branche mehr als 230.000 Arbeitsplätze, unter anderem in der Hotellerie und Gastronomie, im produzierenden Gewerbe oder bei Verkehrsbetrieben und im Handel. Ein Fünftel der Gesamteffekte werden durch regionale Messen ausgelöst, deren häufig inhabergeführte Messeveranstalter überwiegend im FAMA organisiert sind. „Messen sind damit systemrelevant für den Wirtschaftsstandort Deutschland“, so FAMA-Vorstand Hans-Joachim Erbel. Bislang seien 2020 schon 75 Prozent dieser Effekte verloren gegangen, wie Berechnungen der Münchener Wirtschaftsforscher zeigen. Ohne Messen sei eine Re-Start des Wirtschaftslebens nur schwer möglich. „Beispielhaft dafür ist die Gründung der Hannover Messe Industrie, deren Vorläufer von den Briten 1947 aus genau diesem Grund aufgesetzt wurde, um die Wirtschaftsleistung neu anzukurbeln. Bis heute gilt: Messen sind das beste Konjunkturprogramm.“
Dramatische Einbrüche deutscher Exporte
Das gilt auch für die Exporte. Bis zu 20 Prozent der deutschen Ausfuhren werden seit Jahren durch Messebeteiligungen induziert. „Messen sind eine treibende Kraft im Antrieb der deutschen Außenwirtschaft, gerade für den Mittelstand“, so Erbel. Auch hier hat Covid-19 zu dramatischen Verwerfungen geführt. Laut dem Bundesverband der Deutschen Industrie (BDI) werden die deutschen Ausfuhren bis zum Jahresende mit einem Minus von 15 Prozent einbrechen. Jeder vierte Arbeitsplatz, in der Industrie sogar jeder zweite, hängt vom Export ab. „Wer hier wirtschafts- und arbeitsmarktpolitisch gegensteuern will, der muss messepolitisch dagegenhalten. Daran führt kein Weg vorbei“, so Henning Könicke.
Messen sind sicherer als jeder Supermarkt
„Die deutsche Messewirtschaft respektiert grundsätzlich, dass alle Branchen einen Beitrag dazu leisten müssen, durch besondere Sicherheits- und Hygienemaßnahmen die weitere Ausweitung zu verhindern“, so Erbel. Entsprechend abgestimmte Konzepte liegen seit geraumer Zeit vor und wurde auf Messen wie dem Caravan Salon, der Infa und der Nordstil ohne Probleme umgesetzt, wie die Erfahrungsberichte der Veranstalter auf der FAMA-Tagung zeigen. „Messen sind sicher. Sie sind sicherer als jeder Supermarkt, jedes Einkaufszentrum und jedes Möbelhaus. Es ist nicht nachzuvollziehen, dass hier offenbar mit unterschiedlichem Maß gemessen wird, zumal Einkaufszentren vielfach eine deutliche höhere Tagesfrequenz an Besuchern zählen.“