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Mittwoch, 18. März 2020

Einordnungen von FAMA-Justitiar RA Martin Glöckner


Die rasanten Entwicklungen im Zusammenhang mit der Ausbreitung der COVID-19 erwecken auch im rechtlichen Bereich den Eindruck, dass die Zeit gegenwärtig wie im „Zeitraffer“ vergeht. Auch wenn es bereits vorher Auswirkungen auf die Veranstaltungsbranche gab, so wurden die gravierendsten Entscheidungen im Bereich der öffentlichen Verwaltung im Zeitraum zwischen dem 28.02.2020 und dem 17.03.2020 getroffen, einem Zeitraum von nicht einmal drei Wochen. Nachdem die Entwicklungen weiterhin einer nicht unerheblichen Dynamik unterworfen sind, herrscht auch eine nicht unbeträchtliche rechtliche Unsicherheit. 


Wesentliche Begrifflichkeiten

Im Folgenden möchte ich daher einmal wesentliche Begrifflichkeiten, die in der vergangenen Zeit immer wieder gebraucht wurden und deren Klärung auch im Rahmen von Fragen auf dem „FAMA-Corona-Gipfel“ erbeten wurden, erklären und ihre Bedeutung kurz darstellen. Dabei kann es sich zunächst nur um eine erste und allgemeine Darstellung handeln, wobei in der Zukunft auch Raum zur Klärung spezifischer Fragestellungen gegeben sein wird (hierzu im Folgenden mehr). 

Juristisches Neuland

Es darf dabei auch nicht verschwiegen werden, dass der rechtliche Umgang mit den Folgen der Corona-Pandemie insgesamt juristisches Neuland ist, da ein vergleichbarer Fall in der Nachkriegszeit bisher nicht aufgetreten ist. Insofern gibt es auch keine vollständig einschlägigen gerichtlichen Entscheidungen um die Rechtlage abschließend beurteilen zu können. Meine nachstehenden Darstellungen basieren auf der jahrelangen rechtlichen Erfahrung und Praxis im Zusammenhang mit der Messebranche, sowie der Analyse diverser juristischer Meinungen und sonstiger Rechtsprechung. Hieraus hoffe ich Ihnen ein einigermaßen klares Bild zur gegenwärtigen rechtlichen Lage geben zu können. Gleichwohl, aufgrund der Neuartigkeit der Situation, kann ich kein Allerheilmittel versprechen und daher gilt im Umgang mit den eigenen Vertragspartnern dringend das wesentliche Prinzip: „Verhandeln vor Streiten“.

Staatliche Anordnung deutet auf höhere Gewalt

Unter dem Datum des 11.03.2020 hat der Freistaat Bayern, als erstes der Bundesländer, eine für das ganze Land geltende Allgemeinverfügung erlassen, wonach bis zum 14.04.2020 Veranstaltungen mit mehr als 1000 Teilnehmern landesweit untersagt wurden. Mittlerweile finden sich in fast allen Bundesländern entsprechende Regelungen in Kraft, die teilweise noch verschärft wurden. Zudem haben manche Kommunen direkt für einzelne Veranstaltungen Verbotsverfügungen ausgesprochen. Im Falle eines solchen allgemeinen Verbots, oder einer spezifisch auf die Veranstaltung gerichteten Verbotsverfügung, ist von einem Fall der höheren Gewalt auszugehen. 

Die höhere Gewalt ist im deutschen Recht nicht abschließend definiert. Es finden sich über das Bürgerliche Gesetzbuch und andere Gesetzestexte verteilt immer wieder Erwähnungen, eine einheitliche Definition lässt sich aber nur der bisherigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs entnehmen. Danach ist höhere Gewalt „ein von außen kommendes, keinen betrieblichen Zusammenhang aufweisendes, auch durch äußerste vernünftiger Weise zu erwartende Sorgfalt nicht abwendbares Ereignis“.

Im Falle der Untersagung einer Veranstaltung, sei es durch Allgemeinverfügung oder konkretes Verbot, ist ein solcher Fall der höheren Gewalt gegeben. Das Ereignis höherer Gewalt ist in diesem Fall der Ausbruch der COVID-19-Pandemie. Eine Folge hieraus ist der Erlass der Verbotsverfügungen. Diese macht es Ihnen unmöglich Ihre Veranstaltung zum geplanten Zeitpunkt durchzuführen, egal ob Sie objektiv dazu in der Lage gewesen wären, oder nicht. Die Kausalkette, die zu dieser Unmöglichkeit geführt hat lässt sich auf ein Ereignis zurückführen, das Sie weder vorhersehen, noch abwenden konnten.

Die Rechtsfolge der höheren Gewalt ist, mit einigen spezifischen Ausnahmen wie dem Reiserecht, nicht gesetzlich abschließend geregelt. Es ist daher zu fragen, ob allgemeine vertragliche Regelungen für den Fall der höheren Gewalt getroffen wurden. Liegen diese nicht vor, oder sind sie auf den spezifischen Fall der höheren Gewalt nicht anwendbar, so gilt der Grundgedanke, dass für die Dauer des Ereignisses höherer Gewalt jede Vertragspartei von der Erbringung ihrer Leistung befreit wird. Daneben muss man dem Vertragspartner auch für Nebenleistungspflichten aus dem Vertrag und sonstige Schäden im Zusammenhang mit dem Vertragsverhältnis keinen Schadensersatz leisten, wenn man den Eintritt dieses Schadens nicht verschuldet oder zu vertreten hat. 

Anderes Szenario: Störung der Geschäftsgrundlage

Neben den durch höhere Gewalt notwendigen Absagen oder Verlegungen von Veranstaltungen gibt es auch die Fälle in denen die Absage/Verlegung zwar nicht auf Grundlage eines Verbotes, aber doch im direkten Zusammenhang mit der Verbreitung des Corona-Virus erfolgte. Eine solche Absage, welche auch gerne als „eigenverantwortliche Absage“ bezeichnet wird kann gegebenenfalls nicht „eigenverantwortlich“ gewesen sein. Diese Fälle sind dann gegeben, wenn die Absage der einzig mögliche Weg war, womit dem Veranstalter also objektiv die Hände gebunden waren. In diesem Fällen spricht man nicht von höherer Gewalt, auf die Vertragsverhältnisse im Zusammenhang mit der Veranstaltung können sich jedoch die Grundsätze der Störung der Geschäftsgrundlage nach § 313 BGB auswirken. Nach dieser Vorschrift ist ein Vertrag anzupassen, wenn sich nach Vertragsschluss Umstände ergeben haben, die zur Grundlage des Vertrages geworden sind und die dermaßen schwerwiegend sind, dass die Vertragsparteien den Vertrag so nicht oder mit anderem Inhalt geschlossen hätten. Ist die Anpassung des Vertrages nicht möglich oder unzumutbar, so kann vom Vertrag zurückgetreten werden.

Bei der Überlegung ob eine solche Störung der Vertragsgrundlage vorliegt, darf auch auf eine Gesamtbetrachtung der Umstände angestellt werden und auch zum gegenwärtigen Zeitpunkt vorliegendes Wissen darf mit einbezogen werden. Viele Verlegungen/Absagen erfolgten im Nachgang der Bekanntgabe der Empfehlungen des Krisenstabes beim Bundesgesundheits- und Bundesinnenministerium zum Umgang mit Großveranstaltungen vom 28.02.2020. Hierbei wurde ausdrücklich empfohlen Großveranstaltungen einer unverzüglichen Risikobewertung nach den Prinzipien des Robert-Koch-Instituts zu unterwerfen um deren risikofreie Durchführung beurteilen zu können. Im Zweifel, so die Empfehlung weiter, sollten Großveranstaltungen mit internationalem Bezug abgesagt werden. Auf Basis der RKI-Prinzipien haben daraufhin viele Veranstalter und Ämter eine Bewertung vorgenommen, welche dann zu dem Ergebnis kam, dass eine risikofreie Durchführung der Veranstaltung nicht gewährleistet werden kann, trotz möglicher Sicherheitsmaßnahmen. In einem solchen Fall haben sich Umstände ergeben, die bei Vertragsschluss welcher in der Messebranche in aller Regel deutlich in der Vergangenheit lag, nicht vorhersehbar waren und die sich auf die Grundlage des Vertrages, nämlich dessen Durchführung, so gravierend auswirken, dass die Verträge nicht in dieser Form geschlossen worden wären, hätte man die Umstände gekannt. Insofern empfiehlt sich eine Anpassung des Vertrages. 

Es gilt das Prinzip "Verlegen vor Absage"

Sowohl bei den Fällen der höheren Gewalt, als auch den Fällen der nicht abwendbaren Störung der Geschäftsgrundlage stellt sich die Frage, wie mit der Veranstaltung zukünftig umgegangen werden soll. Beide Rechtsinstitute ermöglichen die Absage der Veranstaltung, oder deren Verlegung. Im Falle einer Verlegung hätten die bisher geschlossenen Verträge noch Bestand. Die Vertragsverhältnisse werden in diesem Kontext unterbrochen und zu einem späteren Zeitpunkt wieder in vollem Umfang wirksam. Daher gilt hier das Prinzip „Verlegen vor Absage“. Dieses Prinzip wird sich nicht immer einhalten lassen können. Es kann oftmals objektive Gründe geben die eine Absage der Veranstaltung erfordern. Die Verlegung bietet den Veranstaltern jedoch grundsätzlich die Möglichkeit das Vertragsverhältnis aufrecht zu erhalten und so zum Ersatztermin nicht „bei null“ beginnen zu müssen. In diesem Kontext ist aber zu beachten, dass eine Verlegung nur dann sinnvollerweise angenommen werden kann, wenn sie einen überschaubaren Zeitraum betrifft. Eine Verlegung auf den nächsten regulären Termin oder von 12 Monaten stellt in ihrem Kern keine Verlegung dar, sondern vielmehr eine Absage mit neuer Terminsetzung, zu der das übliche Zulassungsverfahren noch einmal durchgeführt werden muss.

Sowohl bei höherer Gewalt, als auch bei Störung der Geschäftsgrundlage sollten Veranstalter, aus Gründen des Selbstschutzes, neben der eigentlichen vertraglichen Verpflichtung die Leistung vom Schadensersatz dem Grunde nach zunächst zurückweisen. Schadensersatz erfordert, dass der in Anspruch genommene den Eintritt des Schadens „zu vertreten“ hat. Dies ist, wie oben dargestellt, in der konkreten Lage an sich nicht gegeben. Als Veranstalter konnten Sie keine andere Wahl treffen, als die Veranstaltung zu jetzigen Zeitpunkt zu verlegen oder abzusagen. Dennoch ist, wie im deutschen Recht üblich, stets der Einzelfall isoliert zu betrachten. Es kann nicht ausgeschlossen werden, dass ein Gericht sich Ihrer Beurteilung der Sachlage soweit nicht anschließt.

Auch bezüglich der Rückgewähr eingenommener Standgebühren im Falle der Absage der Veranstaltung gibt es bisher keinen Königsweg. Es existieren zwar diverse vertragliche Grundlagen, gerade allgemeine Geschäftsbedingungen sollten in diesem Zusammenhang aber vornehmlich als Argumentationsgrundlage gesehen werden um eine wirtschaftlich sinnvolle Lösung finden zu können. Hier gilt das bereits dargestellte Prinzip „Verhandeln vor Streiten“.

Vertiefte Auseinandersetzung bei Bedarf möglich

Abschließend möchte ich darauf hinweisen, dass dies nur eine erste Erklärung wesentlicher rechtlicher Mechanismen sein soll, mit denen sich viele Veranstalter gegenwärtig auseinandersetzen müssen. Wie so oft ist das Detail interessant und in folgenden Beiträgen möchte ich auf diese Detailfragen weiter eingehen. Auch zukünftig sollen Sie im Rahmen des FAMA Hilfestellungen und Antworten zum Umgang mit dieser neuen und herausfordernden Situation finden. Eine Möglichkeit besteht darin Ihre konkreten Fragen an die E-Mailadresse corona@fama.de zu richten. Des Weiteren soll dieser Newsletter regelmäßig fortgeschrieben werden, um Sie über aktuelle Entwicklungen oder interessante Detailfragen auf dem Laufenden zu halten. Letztendlich wird es demnächst die Möglichkeit zur Teilnahme an Webinaren zu rechtlichen Fragen geben. Hierzu werden wir Sie zeitnah unterrichten. Eine externe Aufstellung der deutschlandweit und international abgesagten und verlegten Messeveranstaltungen finden Sie auf der Internetpräsenz des AUMA e.V. oder des m+a-report unter www.expocheck.com.