Fast wie ein Tsunami hat in den letzten Wochen, ja sogar Tagen, eine neue Social-Media-App die Aufmerksamkeit der interessierten Fachöffentlichkeit übernommen. »Clubhouse« heißt die derzeit nur für iOS verfügbare App und bietet die Möglichkeit, sich als Zuhörer (es handelt sich um eine „drop-in audio chat“ genannte, reine Audio-Anwendung) aus einer großen Themenvielfalt auszuwählen und sich jeweils einem anzuschließen.
Alle Aktivitäten in den „Räumen“ genannten Übertragungen finden live und mit Moderation statt. Diese Moderation hat exklusiven Zugriff auf die Steuerung des jeweiligen Geschehens und kann Teilnehmenden das Wort erteilen und entziehen. Eine Besonderheit, die den Hype sicher massiv angefeuert hat, ist: Derzeit kann man Clubhouse nur auf Einladung einer bereits teilnehmenden Person nutzen. Zwei persönliche Einladungen stehen allen Mitwirkenden standardmäßig zu.
Ebenfalls die Begehrlichkeiten erhöht haben dürfte die Tatsache, dass sich auf der Plattform zahlreiche Celebrities tummeln. So kann es sein, dass man sich ganz unvermittelt mit dem Entertainer Thomas Gottschalk oder der Digitalisierungsbeauftragten Dorothee Bär in einem Raum wiederfindet. Derzeit überwiegt jedoch noch ganz klar der englische Sprachraum.
Das Nutzungserlebnis ist geprägt von der Fokussierung auf das moderierte, gesprochene Wort. Kein Videobild lenkt davon ab und es gibt auch keinen Chatfeed. Einzig der bisweilen dynamische Wechsel an Teilnehmenden, der durch Hinzufügen oder Wegfallen ihrer runden Profilfotos angezeigt wird, konkurriert um die eigene Aufmerksamkeit. Denn mit jeder einzelnen Person kann man in eine One-to-One-Situation wechseln und sich, ganz im Stile informeller Pausenkommunikation, unterhalten.
Anders als bei den zunehmend beliebten Podcasts muss man allerdings pünktlich im jeweiligen Raum erscheinen – Aufzeichnungen gibt es nicht. Und natürlich lassen sich während einer Session trefflich Mails bearbeiten oder Internetseiten aufrufen. Trotzdem handelt es sich bei Clubhouse ganz klar um einen ernstzunehmenden Wettbewerber um Aufmerksamkeit – weil es sich, ganz wie bei Messen auch, um einen unwiederbringlichen Live-Anlass handelt.
Wer sich auf die Plattform einlässt, stellt schnell fest, dass hier ein potenzieller Zeitfresser am Werk ist. Ehe man es sich versieht, ist der Uhrzeiger eine Stunde vorgerückt. Man kann aber ohne Zweifel inspirierende Eindrücke mitnehmen, interessante Leute kennenlernen und sich in konstruktive Diskussionen einbringen. Es erscheint allerdings gut denkbar, dass der Clubhouse-Hype so nur mit dem unbesetzten Feld, das Messen derzeit zwangsweise freilassen müssen, möglich wurde.
Derzeit sind noch keine Ansätze erkennbar, ob und wie Clubhouse-Sessions monetarisierbar werden könnten. Fest steht, dass das rein auditive Nutzererlebnis wohltuend und fokussierend wirken kann. Auch deshalb stellt Clubhouse fraglos eine Bereicherung der Social-Media-Welt dar.
Aus einem Twitter-Thread von Philipp Westermeyer geht hervor, dass die App derzeit 3 Mio. User hat, von denen 800.000 täglich rund 90 Minuten auf der Plattform verbringt. Das Portal „theinformation.com“ meldet, dass sich das Interesse von Investoren derzeit auf rund 1 Mrd. USD beziffern ließe. Wohin das führt, und ob der Hype auch in drei Monaten noch anhält, bleibt abzuwarten.