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Mittwoch, 26. Januar 2022

Der Blick nach vorn: Die wundersamen Sorgen der Versorgten


Ein Tweet von Marieke Reimann, stellvertretende Chefredakteurin des SWR, hat in der Twitter-Community und darüber hinaus am 10. Januar für Aufregung gesorgt. Darin verurteilt sie einen Online-Artikel des „Spiegel“ mit dem Titel „Was sollte ich tun, wenn meine Corona-WarnApp rot wird?“. Stein des Anstoßes ist für Reimann, dass sich der Inhalt des Artikels hinter einer Bezahlschranke befindet. Grundlegende Infos als Bezahlinhalte anzubieten und darüber Abos zu generieren, sei „einfach nur widerlich“ (Foto: Pixabay).

Widerspruch zu Reimanns Kritik regt sich etwa in einem Artikel von Welt-Redakteur Christian Meier, der ihre Aussage als exemplarisch für die grassierende Abgehobenheit im öffentlich-rechtlichen Rundfunk anführt. Nicht nur, dass er die Wortwahl unpassend findet, die Kritik offenbare auch eine „irritierende Selbstgerechtigkeit“. Ein bemerkenswertes Detail findet sich übrigens direkt im Anschluss im Twitter-Feed von Reimann, wo sie anbietet, man können sie für Workshops zum Aufbau eines Paid-Content-Modells buchen.

Dieser Vorfall erinnert ein wenig an die Sorge von Justus Haucap, der im Messewesen die Gefahr einer Selbstbevorzugung öffentlicher Messegesellschaften konstatiert. Hier wie dort geht es dabei mit keinem Wort darum, die Existenzberechtigung und die potenziell segensreiche Wirkung staatlichen Engagements in Frage zu stellen. Die naive Wucht, mit der eine solche Geisteshaltung aus staatlich abgesichertem Umfeld bei jenen aufschlagen muss, die sich ihre unternehmerische Existenz tagtäglich ohne Wenn und Aber in einem marktwirtschaftlichen Umfeld erarbeiten müssen – die können sich Menschen wie Frau Reimann allerdings offensichtlich nicht recht vorstellen.

Helfen würde vermutlich, wenn man sich die Mühe machte, sich in die Realität (und die Geschäftsmodelle) der jeweils anderen hineinzuversetzen. Immerhin weist die GuV des zwangsbeitragsfinanzierten SWR für das Geschäftsjahr 2019 (also vor der Pandemie) einen Bilanzverlust von gut 109 Mio. EUR (nach 102 Mio. EUR im Vorjahr) aus. Und das vermutlich ohne Existenzängste in der Chefredaktion auszulösen. Der Spiegel hingegen – in der Vergangenheit auch nicht gerade für unterversorgte Redakteur*innen bekannt – steht im harten täglichen Wettbewerb um Anzeigenkunden und Abonnent*innen.

Mitteilungsblatt für den Umgang mit Corona-Verordnungen ist er jedenfalls nicht.