… sprach der Papagei und flog durch den Ventilator, heißt es in einem dieser unter Kindern so beliebten Flachwitze. Manch Unternehmen aus der Messewirtschaft wird sich derzeit wie nach einem Flug durch besagten Ventilator fühlen: Zerzaust, mit mehr oder weniger heftigen Blessuren, und vielleicht ein wenig schwindelig. Aber auch dankbar, die größte Krise in der Geschichte unserer Branche irgendwie überstanden zu haben. Und, schwupps, biegt die nächste Krise um die Ecke, mit der ein despotischer Führer Europa und die Welt ins Chaos stürzt. Reflexhaft stellt sich die Frage: Können wir denn nicht einfach mal wieder unseren Job machen (Foto: Pixabay)?
Doch ein Reflex ist jetzt der falsche Ansatz. Tatsächlich ist es gar nicht mal so abwegig, dass die politische Krise, in der wir uns gerade befinden, auch damit zu tun hat, dass wir Messemenschen für fast zwei Jahre unseren Job nicht machen durften: Vertrauensbildende Begegnungen im größeren Kontext ermöglichen, mit informellen Gelegenheiten zum Aufbau tragfähiger Beziehungen. Transparenz in komplexe Märkte und Konstellationen bringen, Kräfteverhältnisse sichtbar machen und Gerüchten mit direkt verifizierbaren Fakten begegnen. Das alles hat die Pandemie in einen abstrakt distanzierten Raum verlagert. Nicht nur im Bereich der Wirtschafts- und Marktveranstaltungen, auch die vielen politischen Gipfel mussten entweder ganz ins Digitale ausweichen oder ermöglichten nur einen Bruchteil der so entscheidenden Serendipität.
Bei aller Tragik hat das für die Messewirtschaft auch etwas Ermutigendes. Denn jetzt sind unsere Formate vielleicht so nützlich wie selten zuvor. Auch wenn die verbreitete Verunsicherung und Zurückhaltung erst noch vergleichsweise mühsam wieder abgebaut werden müssen: Persönliche Begegnung ist ein wesentlicher Schlüssel zum Aufbau von Vertrauen zwischen Menschen. Lange aufgeschobene Entscheidungen können endlich wieder mit Informationen und Erkenntnissen aus erster Hand abgesichert werden. Vorurteile und Klischees treten angesichts von Erlebnissen in leiblicher Begegnung in den Hintergrund. „Wandel durch Handel“ bleibt eine Chance, in aufgeheizte Konstellationen und wackelige Lieferketten Klarheit und Besonnenheit zu bringen. Denn Wirtschaft ist das, was uns alle Tag für Tag buchstäblich am Leben erhält. Auch wenn sie sich schneller wandelt, als manchen von uns lieb ist.
Ich sage es nicht gern (aber oft): Mit der herbeigesehnten Normalität wird es wohl auf absehbare Zeit nichts werden. Die Probleme von heute werden sich nicht mit den Ideen und Fertigkeiten von gestern lösen lassen. Wir Messemenschen müssen unsere Kernkompetenz der reibungslosen Organisation ergänzen: Um ein besseres Verständnis von Märkten und deren Akteuren, um mühelose, einladende und menschenfreundliche (digitalisierte) Abläufe, um neue Touchpoints, die laufende Teilhabe an immer komplexeren Entwicklungen ermöglichen. Dazu braucht es reflektierte, aufgeschlossene Macherpersönlichkeiten, diverse Teams mit unterschiedlichsten sozialen, geschichtlichen und kulturellen Hintergründen und überzeugende Lösungen für Kunden, deren Erwartungen homogener sind denn je.
Wie immer endet diese Kolumne auch diesmal mit Zuversicht: In der tausendjährigen Geschichte der Messen haben sie sich immer wieder neu erfunden und ihr Nutzenversprechen überzeugend erneuert. Das wird auch diesmal so sein. Und wenn wir noch mehrfach durch diesen Ventilator durchmüssen: Dann mausern wir uns und erstrahlen im neuen Federkleid. Der Duden schreibt über das Mausern wie folgt: „Sich durch eine Entfaltung der eigenen Anlagen, Möglichkeiten förderliche Entwicklung entscheidend zum Vorteil verändern.“ Wir bringen uns selbst und die Wirtschaft wieder zum Fliegen!