Kolumne von Oliver Schmitt
Wenn wir auf die zwei hinter uns liegenden Pandemiejahre blicken, dann zeigt sich eine anstrengende Mischung aus Krise, Ängsten, Verlusten, Transformation, Frustration und Hoffnung. Unser Solidarbeitrag für eine sicherere Gesellschaft war und ist dabei selbstlos und vorbildlich: Impfzentren, Logistik-Hubs und Notkliniken fanden ihren Platz in Messehallen. Eine ganze Wertschöpfungskette brachte zahlreiche Sonderopfer bis hin zum Berufsverbot. Messewirtschaft und viele Messemenschen sind aber mittlerweile am Ende ihrer Kräfte. Und jetzt, da ein brutaler Angriffskrieg Europas Sicherheitsarchitektur ins Wanken bringt und zahllose Menschen verzweifelt vor der todbringenden Bedrohung Schutz suchen, stehen Messegelände vielerorts wieder ganz oben auf der politischen Wunschliste. Die Frage ist: Wie gehen wir als ausgezehrte Branche damit um (Foto: Bruno Bueno/Pexels)?
In seinem Wahlkampf-Auftritt bei Alarmstufe Rot im Februar 2021, formulierte der damalige Vizekanzler Olaf Scholz seine Ziele so: „Ich bin dafür, dass wir eine Öffnungsperspektive formulieren, bei der jeder weiß, woran er ist und die auch nicht vage bleibt.“ In den darauffolgenden Monaten haben wir jedoch weiterhin ein pannengesäumtes Pandemiemanagement erduldet und beim Gedanken an die nächste Herbst- und Wintersaison schwant vielen von uns nichts Gutes. Zum Bundeskanzleramt gibt es über das Forum Veranstaltungswirtschaft zwar inzwischen einen direkten Draht. Das Wirtschafts- und Klimaschutzministerium von Vizekanzler Robert Habeck hat jedoch bis heute keinen Ansprechpartner für die Messe- und Veranstaltungswirtschaft – immerhin der sechstgrößte Wirtschaftszweig in Deutschland – benannt.
Würden wir heute eine ungestützte Umfrage über Sinn und Zweck von Messen durchführen: Was wäre wohl das Ergebnis? Viele nehmen uns womöglich nur noch als diejenigen wahr, die ihre Hallen zur Verfügung stellen, wenn kurzfristig ein wettersicherer Platz zur Bewältigung von Krisen benötigt wird. Unsere vernetzende, stimulierende, marktdemokratische und wirtschaftsfördernde Funktion, vor allem für den Mittelstand, wird zwar von den Unternehmen schmerzlich vermisst, im politischen oder gesellschaftlichen Diskurs ist davon allerdings kaum mehr die Rede. Und genau das müssen wir ändern. Es ist Zeit, dass wir aufstehen und unserer Stimme Gehör verschaffen. Nicht auf der Straße, nicht mit Transparenten und nicht in Petiti-nen. Sondern indem wir unseren Kunden physische, hybride und digitale Plattformen für Austausch, Handel, Inspiration und friedliche Beziehungspflege zur Verfügung stellen. Dafür sind wir die Experten, das können wir und das sollten wir tun.
Ich möchte auch in Zukunft stolz sein darauf, dass wir Messemenschen alles in unserer Macht Stehende getan haben und weiterhin tun, damit die Gesellschaft eine Pandemie nicht fürchten muss und damit Menschen Schutz vor Krieg und Vertreibung finden. Zugleich möchte ich, dass wir den Zweck unserer Existenz wieder verfolgen, indem wir Märkte transparent machen, Menschen zueinander führen und den Austausch von Waren, Dienstleistungen und Ideen fördern. Denn dafür braucht es eine Messewirtschaft, der man den eigenen Wiederaufbau zugesteht, damit sie Kraft für eine anstrengende Transformation tanken kann. Und dazu braucht es Politiker, die Zusammenhänge verstehen wollen, Chancen erkennen und sich dafür einsetzen, dass es mit Messen wieder bergauf geht. Es gibt viel zu tun, also: Ärmel hoch und frisch ans Werk!