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Montag, 4. März 2024

Der Blick nach vorn: Ist »Alles oder Nichts« zuviel verlangt?


Vor kurzem machte eine Meldung über die Atlantische Umwälzzirkulation AMOC (der Golfstrom ist ein Teil davon) erstaunlich wenig Schlagzeilen. Eine neue Studie von Wissenschaftlern um René van Westen, Meeresforscher an der Universität Utrecht, warnt davor, dass ein unumkehrbarer Kipppunkt mit fatalen Folgen für das Weltklima erreicht wird. Die Frage scheint nicht mehr, ob dieser Punkt erreicht wird, sondern nur noch wann (Bild: PIRO4D / Pixabay).

Gleichwohl sind Warnungen vor den Folgen des Klimawandels derzeit nicht sehr wohl gelitten. Wann immer es bei Maßnahmen zur Verringerung oder Vermeidung von CO2-Ausstoß konkret wird, heulen die Betroffenen auf. Entweder sie treiben die Überbringer der unangenehmen Botschaft vor sich her, oder aber sie leugnen die Gefahr gleich ganz. Was aber, wenn die Bedrohung real ist? Was, wenn die Atlantische Umwälzströmung, wie in der Studie ermittelt, bereits jetzt gemäß konkret messbarer Parameter auf einen Kipppunkt zusteuert?

Die Studie, basierend auf dem komplexesten Modell mit dem je gerechnet wurde, prognostiziert unangenehme Szenarien: Zum einen genügten geringe Mengen an eingetragenem Süßwasser (Schmelzwasser der Polkappen etwa), um den Kipppunkt zu überschreiten. Zum anderen lesen sich die prognostizierten Folgen wie der Plot eines Katastrophenfilms: Erwärmung der südlichen Hemisphäre um einige Grad Celsius, Abkühlung der nördlichen Hemisphäre um ebenfalls einige Grad Celsius, und das in einer nie dagewesenen Geschwindigkeit von drei Grad Celsius pro Jahrzehnt. Anpassungen an solch rasche Temperaturänderungen seien nicht mehr möglich, warnen van Westen und seine Kollegen.

Aber die Wirtschaft, aber der Wohlstand, aber der soziale Frieden! So oder ähnlich tönt es aus allerlei Richtungen, wenn schnell wirksame, tiefgreifende Maßnahmen gefordert werden, um diesen Kipppunkt wirksam zu vermeiden. Der Kapitalismus sei an allem schuld, wir müssten Verzicht üben und uns nur noch einmal die Woche mit kalten Lappen waschen, schallt es von woanders. Fakt ist: Wenn der Kipppunkt überschritten ist, dann geht es schnell, dann erwischt es eine unvorbereitete Wirtschaft knüppeldick. Der Wohlstand wird unter unseren Fingern zerrinnen. Verteilungskämpfe und ungekannte Wanderungsbewegungen werden einsetzen.

Ich frage mich: Warum nehmen wir als Gesellschaft diese Szenarien, so bedrohlich sie auch erscheinen, nicht als ermutigende Motivation für den Einfallsreichtum und die Konsequenz, die uns seit jeher auszeichnen? Schließlich geht es um unsere Zukunft. Stattdessen lavieren wir herum, um nur ja niemandem zu viel zuzumuten, verstecken uns hinter Technologieoffenheit und Taxonomien. Wer die Dinge beim Namen nennt, droht diffamiert, bedroht und diskreditiert zu werden.

Wenn wir tatsächlich bereits heute auf diesen Kipppunkt zusteuern, dann tun wir definitiv zu wenig dagegen. Auch wir als Messewirtschaft sind derzeit insgesamt noch zu sehr in der Ankündigungsphase und suchen nach Ausflüchten dafür, die Dinge behutsam anzugehen. Zaghaftigkeit und vor allem die Kakofonie der Partikularinteressen scheinen aber so ziemlich das Gegenteil von dem zu sein, worauf es jetzt ankommt: Gemeinsam ein kreativ-konstruktives Alles-oder-Nichts angehen. Sich auf die Straße kleben hilft da genauso wenig wie sie mit Misthaufen und brennenden Reifen zu blockieren. Lasst uns ein klimafreundliches Wirtschaftswunder nicht mit rosaroter Ideologiebrille philosophisch diskutieren, sondern mit hochgekrempelten Ärmeln konkret angehen.

Ich bin dabei, wer noch?