Während ich diese Zeilen schreibe, findet die Gitex Europe auf dem Gelände der Messe Berlin statt. Sie wirbt mit dem Claim „A Bolder Digital Europe Is Open. Choose Europe.“ Dahinter steckt das Dubai World Trade Center, dessen Tochter Kaoun International die Messe veranstaltet. Das darf man sich mal auf der Zunge zergehen lassen: Akteure aus dem Nahen Osten veranstalten in der deutschen Hauptstadt eine Messe für Investoren, die in Europa investieren sollen. Noch 1990 machte der Verkauf von Erdöl 50% vom gesamten BIP des Emirats Dubai aus. Keine schlechte Entwicklung (Bild: Salvador Navarro Maldonado / Pixabay).
Kolumne von Oliver Schmitt
Die Liste der Beteiligten ist illuster: Strategische Partner sind das Wirtschaftsministerium von Dubai, das European Innovation Council und seine KMU-Agentur EISMEA, sowie Digital Dubai. Insgesamt präsentieren sich 1.400+ Aussteller, treffen auf 750+ Startups, 600+ Investoren. Mehr als 500 Speaker sind involviert und das ganze vereint Teilnehmende aus über 100 Ländern.
Politiker*innen, Forschende, Wirtschaftsbosse, sie alle geben sich die Hand: Die Staatsministerin für Entrepreneurship von Dubai, Alia Bint Abdulla al Mazrouei, die Ministeriumsdelegierte für AI und Digital Affairs von Frankreich, Clara Chappaz, oder der Minister für Digitale Entwicklung in Kazachstan, Zhaslan Madiyev. Geoffrey Hinton, der „Godfather of AI“ genannt wird, Verena Pausder (Vorsitzende des Startup-Verbands), Julie Kitcher (Chief Sustainability Officer von Airbus) oder Antonio Campinos (Präsident des Europäischen Patentamts). Ein sehr weibliches und sehr diverses Lineup.
Und während die digitale Welt in den Berliner Messehallen die Weichen für die Zukunft stellt, diskutieren wir, ob die Deutschen fleißig genug sind und genügend Wochenstunden ableisten. Just saying!
Mein Wegweiser für die Zukunft unseres Wirtschaftsstandorts, Wolf Lotter, beklagte schon 2022 in einem Essay für den Standard „die Diktatur des Bürokratiats“. Darin konstatiert er, dass sich alle für kreativ halten, während unsere Kultur Verwalter am laufenden Band produziert. Wer ihm folgt, der weiß zudem, dass Lotter ein versierter Kritiker der künstlichen Intelligenz ist. Unlängst nannte der diese im österreichischen Magazin Profil „gekünstelte Intelligenz“.
Ich stimme mit ihm ein, dass der Weg zum Erfolg ein steiniger ist. Wenn wir uns weiterhin darauf verlassen, dass ein "weiter so" schon reichen wird, dass wir uns nicht wirklich anstrengen müssen: Pustekuchen. Wer glaubt, weil ja jetzt die KI alles für uns erledigt, der liegt kolossal falsch. Was wir stattdessen brauchen, sind Meister m/w/d ihres Faches, die keine Anstrengung scheuen, im kreativen Sinne ganz vorne mit dabei zu sein.
Für manche mag eine globale Zukunftskonferenz unter arabischer Führung in Berlin bedrohlich oder jedenfalls erschreckend wirken. Für mich ist sie ein Zeichen, dass es jetzt wirklich Zeit wird, dass wir unsere Komfortzonen verlassen oder wenigstens erweitern. Wir sollten der Welt nicht zeigen, wo der Hammer hängt (im Sinne des alten Industriestandorts). Wir sollten vielmehr darauf fokussieren, dass wir für unsere Meisterschaft, für unsere Kreativität und für den Mehrwert beachtet werden, den wir der Welt bescheren.
Disclaimer, für den Fall, dass es manche missverstehen: Ich halte KI für einen relevanten Faktor und wir sollten uns alle professionell damit auseinandersetzen. Sie wird uns jedoch nicht von der Notwendigkeit menschlicher Exzellenz befreien.