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Dienstag, 8. Juli 2025

Z'sämma, Z'samm, Zusammen • So geht Austausch im DACH-Raum


Tendenz und Tenor sind positiv: „Wir sind zurück im Markt, liegen über dem Level von 2018 und damit nur noch leicht unter dem Spitzenergebnis von 2019, dem letzten Geschäftsjahr vor Corona“, sagt Henning Könicke, geschäftsführender Vorstandsvorsitzender des FAMA, Fachverband Messen und Ausstellungen, zum Auftakt der DACH-Messefachtagung in Berlin. Mehr als 150 Teilnehmende diskutierten auf der zweitägigen Tagung aktuelle Entwicklungen im Messegeschäft. Bereits zum dritten Mal fand das Branchentreffen in Kooperation der drei nationalen Verbände FAMA, Messen Austria und Swiss LiveCom Association Expo Event statt (Bild: FAMA / Nico Herzog).

Trotz aller Zuversicht wurde eines deutlich: Der weltweite Messemarkt befindet sich in einem tiefgreifenden Strukturwandel. KI, Big Data und digitale Formate sind ein Faktor. Als weitaus gravierender könnte sich die geoökonomische Entwicklung erweisen, die von Abgrenzung und Konfrontation geprägt ist. Damit käme die Globalisierung, seit den 1990er Jahren zentraler Motor des weltweit wachsenden Messemarktes, auf internationaler Ebene ins Stocken – speziell für internationale Fachmessen könnte das zur zentralen Herausforderung werden.

Erfolgsverwöhntes Messeland Deutschland

Die deutschen Messeunternehmen sind erfolgsverwöhnt. Das spiegelt sich auch in den Marktdaten wider, die der AUMA als Dachverband der deutschen Messewirtschaft jährlich vor dem Start der Messefachtagung veröffentlicht. Insgesamt 2,46 Millionen Messegäste aus dem Ausland zählt der Berliner Verband für das zurückliegende Jahr – mehr als in jedem anderen Messeland der Welt. Ganz vorn in der Nationenwertung: die Niederlande, dahinter Italien, Österreich, die Schweiz und China. Allein aus dem Reich der Mitte machten sich im zurückliegenden Jahr 120.000 Besucher auf die Reise nach Deutschland. Das sind deutlich mehr als aus den USA: Weniger als 3,5 Prozent aller internationalen Messebesucher in Deutschland kommen aus dem Land, das eigentlich immer „first“ sein will.

Die neue Dynamik der Geoökonomie

Für Dr. Andreas Goldthau, Professor an der Universität Erfurt und Direktor der Willy Brandt School of Public Policy, ist das wenig überraschend. Er forscht seit geraumer Zeit zur Geoökonomie. Auf EU-Ebene ist er ein gefragter Sachverständiger. Was er beobachtet, ist seit Jahren ein Prozess, der sich als zunehmende kontinentale Selbstreferenzialität bezeichnen lässt: „Die Weltwirtschaft wird sich stärker regionalisieren, Handel unter Gleichgesinnten tritt in den Vordergrund, und Lieferketten werden zunehmend auf politisch oder wirtschaftlich verbündete Länder ausgerichtet“, sagt Goldthau. Aus seiner Sicht ein Prozess, der in drei Phasen verläuft – von der Globalisierung bis 2008, der darauffolgenden „Slowbalisierung“ bis 2018 und der aktuell zunehmenden Wirksamkeit der Geoökonomie. Sie sei, so Goldthau, unter anderem gekennzeichnet durch die systematische Abgrenzung von Märkten, dem Aufbau von Zoll- und Handelshemmnissen und dem Rückgang internationaler Handelsvolumen: „Dies wird auch im Messegeschäft sichtbar werden. Zu erwarten ist, dass sich die Weltwirtschaft an den zentralen Machtsphären ausrichtet – China, USA und in einigen Bereichen auch Europa.“ Wer in diesen Weltregionen mit entsprechenden Messe-Brands operiert, wird weitaus flexibler agieren können.

Messen als Seismografen von Märkten

„Wir beobachten diese Entwicklung mit großer Spannung, da unsere internationalen Messen als Seismografen der Märkte sehr sensibel auf solche Entwicklungen reagieren. Das Geschäftsmodell von Messen basiert auf der Offenheit von Märkten und der Kooperationswilligkeit von Unternehmen und Volkswirtschaften“, betont Henning Könicke. Das gilt speziell für deutsche Messeunternehmen, die in besonderer Weise von der Internationalisierung der Märkte leben, wie Christian Künzli, Präsident Swiss LiveCom Association Expo Event, mit Blick auf die D-A-CH-Region unterstreicht: „Messen, made in Germany, sind schon immer von Internationalität geprägt, österreichische von der Regionalität und Schweizer Messen von der Spezialisierung“. Erschwerend hinzu käme für alle drei Länder der steigende Kostendruck. Hier registrieren Veranstalter in den zurückliegenden drei Jahren beim Einkauf von technischen Dienstleistungen einen Preisanstieg von durchschnittlich 25 Prozent, sagt Dr. Bernhard Erler, Vorsitzender Messen Austria, stellvertretend für die Branche.

KI und digitale Geschäftsmodelle im Fokus

Doch die Tagung zeigte auch, wie weit inzwischen der Einsatz von KI, digitalen Zwillingen und No-Code-Programmierungen in der Vermarktung von Messen vorangeschritten ist. Das gilt speziell für den Einsatz von KI. Seit der FAMA-Fachtagung im Herbst 2023, als das Thema bereits auf der Tagesordnung stand, hat die Branche viel Boden gut gemacht. Ging es vor zwei Jahren noch um mögliche Anwendungsfelder und erste automatisierte Gehversuche, so zeigte sich dieses Mal, wie sich KI für den Vertrieb in der Praxis gezielt nutzen lässt.

Beispielhaft dafür war die Key-Note von Christian Poell, AI-Manager der MBB Consulting Group, der in seinem Praxisbericht den „Geist der Maschine“ zum Leben erweckte. Er zeigte, wie sich KI-Tools als AI-Sales-Agenten für Vertrieb und Standplanung nutzen lassen: „Messegesellschaften, die KI strategisch in Vertrieb und Kommunikation integrieren, können heute schon signifikant Zeit sparen, die Qualität erhöhen und ihr Rebooking gezielt verbessern.“ Bis zu 75 Prozent Zeitersparnis, so der Kölner, seien bereits jetzt abhängig von der Anwendung möglich – vorausgesetzt, es gebe eine entsprechende Betriebsvereinbarung, die den Einsatz von KI ermöglicht.

Digital-Produkte legen weiter zu

Auch bei der Entwicklung digitaler Produkte im Bereich von Publikumsmessen hat die Branche deutlich zugelegt. Exemplarisch dafür ist das Portal, das die in Zürich ansässige Conteo AG, spezialisiert auf digitale Plattformtechnologien, und die Messe Luzern entwickelt haben. Matthias Baldinger (Conteo) und Fabienne Meyerhans (Messe Luzern) zeigten hier am Beispiel der Zentralschweizer Frühjahrsmesse LUGA, wie durch Content-Angebote messbare Marketing-Values und Umsätze generiert werden können.

Für Britta Wirtz, Geschäftsführerin der Karlsruher Messe- und Kongress GmbH, ist dieses Beispiel kein Einzelfall. Das betonte sie in der sich anschließenden Podiumsdiskussion: „Die Entwicklung von Services, die überwiegend den Ausstellenden auf Messen zusätzlichen Nutzen bieten, verlagern sich zunehmend von klassischen Dienstleistungen hin ins Digitale. Den Messenutzen digital zu erhöhen, die dahinterliegenden Potenziale zu erkennen und zu kommerzialisieren, ist für die Branche Herausforderung und Chance, die mutig anzugehen ist.“

Erfolgsfaktor: Vielfalt authentisch live erleben

In einem Punkt bestand jedoch bei aller Diskussion über KI und digitale Produkte ein Grundkonsens: Im Mittelpunkt aller Messen und Veranstaltungen der Live-Kommunikation steht das authentische Erleben dessen, was ein Live-Act ausmacht – egal, ob Show, Konzert, Event oder Fachmesse. Emotion ist das, was über den funktionalen Nutzen hinaus in Erinnerung bleibt, selbst bei reinen Fachveranstaltungen.

Darauf verwies auch Matthias Baur, CEO MBB Consulting Group, im Deep Dive zu neuen Formaten: „Es ist wichtig, mehr Emotionen zu wagen, denn Messen sind heute bunter und der Austausch vielfältiger als je zuvor. Auffällig ist, dass viele neue Formate von „Nicht-MesseMachern“ erdacht wurden, was nicht heißen soll, dass wir nicht auf den Erfahrungen unserer Industrie aufbauen sollten. Es gilt viel mehr, Erfahrungen mit neuen Ideen zu kombinieren und Formate in einem experimentellen Prozess der kleinen Schritte zu testen. „Innovation Entrances“ oder „Stand-Up Panels“ sind zwei Format-Beispiele, die in einem solchen Prozess entstehen können.“

Der Mut, das scheinbar Unmögliche möglich zu machen, gerade weil man ganz anders ist als die anderen – darum ging es auch Lina Maria Pietras, CEO & Founder purpose.hub, in ihrem abschließenden Vortrag zu Inklusion und Diversität. Das Wort, das sie dabei am häufigsten gebrauchte, hatte ganze drei Buchstaben – Mut. Es war das Wort, das in Berlin am häufigsten die Runde machte.