Die Veranstaltungswirtschaft bleibt bis Ende 2022 auf Wirtschaftshilfen angewiesen und braucht dringend einen Sonderbeauftragten für die Veranstaltungswirtschaft im Wirtschafts- und Klimaministerium. Gemäß eines aktuellen Berichts des ifo-Instituts zum Geschäftsklima-Index für die Veranstaltungswirtschaft ist und war sie eine der am meisten von der Corona-Krise in Mitleidenschaft gezogenen Branchen der deutschen Wirtschaft. In dem November-Bericht des Instituts (anbei als Anlage 2) heißt es zum Geschäftsklima in der Veranstaltungswirtschaft: „Bis Oktober gab es noch Hoffnung auf Besserung. Diese ist im November verschwunden.”
Tatsächlich steht die Veranstaltungswirtschaft nach nun schon mehr als zwanzig-monatiger Dauer der Corona-Pandemie aufgrund der aktuellen Eindämmungsmaßnahmen erneut vor dem Kollaps. Der Wirtschaftszweig unterstützt seit Beginn der Pandemie alle Maßnahmen zum Infektionsschutz. Damit erbringen die Branchenunternehmen seit März 2020 ein bedeutendes Sonderopfer zum Schutz der Bevölkerung. Sofern dem Wirtschaftszweig nicht schnell und langfristig mit spezifischen auf den konkreten Bedarf ausgerichteten Programmen geholfen wird, wird er sich nicht mehr von der soeben einen erneuten Höhepunkt erreichenden Krise erholen. Zahlreiche Veranstaltungen müssen nun zum vierten Mal mit erheblichem Personalaufwand und existenziellen Verlusten verlegt werden.
Die im Forum Veranstaltungswirtschaft zusammengeschlossenen Verbände fordern für den Wirtschaftszweig daher folgende staatlichen Maßnahmen:
1. Fortführung des erleichterten Zugangs zum Kurzarbeitergeld
Die Bezugsdauer des Kurzarbeitergeldes muss bis Dezember 2022 mit Sätzen von 70/77 % nach vier Monaten und 80/87 % nach dem siebten Monat verlängert werden.
Die Sozialversicherungsbeiträge für die Unternehmen der Veranstaltungswirtschaft müssen weiterhin in voller Höhe durch die Bundesagentur für Arbeit erstattet werden. Nur so wird sich eine weitere Abwanderung von Fachkräften in andere Branchen vermeiden lassen. Bereits jetzt schon ist der Personal- und Fachkräftemangel erheblich.
Der Hinweis, dass Unternehmen durch Weiter- und Fortbildungsmaßnahmen die volle Erstattung der Sozialversicherungsbeiträge erhalten können, ist nicht zielführend, weil die Unternehmen in der Branche keine Liquidität mehr haben, um Ausbildungsmaßnahmen zu finanzieren. Außerdem werden viele erforderliche branchenspezifische Maßnahmen nicht gefördert.
2. Geringfügig Beschäftigte
Wie seit Beginn der Krise die Künstlervermittler, sind bisher auch die geringfügig Beschäftigten durch nahezu jedes Förderraster gefallen. Da ihre Leistungen jedoch für die Veranstaltungswirtschaft unverzichtbar sind, ist es dringend erforderlich, sie in dem von der Veranstaltungswirtschaft geforderten Sonderprogramm ebenfalls zu berücksichtigen. Dazu ist es erforderlich, den antragsstellenden Unternehmen die Möglichkeit eines Vergütungsausgleichs - vergleichbar dem Kurzarbeitergeld - zu gewähren.
3. Überbrückungshilfe IV (Details zum Programm liegen noch nicht vor)
Die Überbrückungshilfe IV soll nun bis Ende März 2022 laufen und grundsätzlich gleichbleibende Zugangsvoraussetzungen wie die Überbrückungshilfe III Plus haben. Allerdings sollen im Rahmen der Überbrückungshilfe IV bei Umsatzausfällen ab 70 Prozent lediglich bis zu 90 Prozent der Fixkosten erstattet werden. Bei der Überbrückungshilfe III Plus waren es hingegen 100 Prozent.
Das Hilfsprogramm muss so gestaltet werden, dass es für die Veranstaltungswirtschaft bis Dezember 2022 läuft und eine Erstattung von 100 Prozent der Fixkosten vorsieht.
Eine branchenspezifische Lösung ist zwingend geboten, da abzusehen ist, dass andere Teile der deutschen Wirtschaft weiterhin ohne besondere wirtschaftliche Auswirkungen durch die vierte Welle der Pandemie kommen.
4. Neustarthilfe plus für Soloselbstständige
Auch die Neustarthilfe muss für die Veranstaltungswirtschaft bis Dezember 2022 weitergeführt werden. Da immer größere Finanzlöcher für Altersvorsorge, Krankenversicherung und Lebenshaltung entstehen werden, muss auch der Quartalsbetrag der Neustarthilfe plus/IV auf 7.500 EUR steigen.
5. Anpassung der Ausfallabsicherung im Sonderfonds Messen
Die aktuellen Regelungen der Bundesländer führen dazu, dass Messen nicht untersagt aber de facto unmöglich werden. Das wiederum macht die Nutzung der Ausfallabsicherungen im Sonderfonds für Messen und Ausstellungen nahezu unmöglich. Wenn es jedoch politischer Wille ist, dass Veranstaltungen selbst mit einem sehr hohen Maß an Sicherheit nicht mehr stattfinden sollen, müssen auch hier die Hilfsmaßnahmen angepasst werden. Dazu sollte die bisherige Regelung analog zum Sonderfonds für Kulturveranstaltungen angepasst werden. Darüber hinaus müssen auch Kongresse und Tagungen als förderfähige Formate einbezogen werden.
6. Nachjustierung der Regelungen des Sonderfonds für Kulturveranstaltungen
Der Sonderfonds für Kulturveranstaltungen bietet eine unverzichtbare Grundlage dafür, dass Kulturveranstalter:innen in Zeiten der Pandemie unter Wahrung kaufmännischer Sorgfalt überhaupt noch imstande sind, Veranstaltungsrisiken einzugehen. Schließlich belaufen sich diese Risiken häufig auf zweistellige Millionenbeträge. Allerdings haben bereits die Erfahrungen der letzten Monate gezeigt, dass die Regelungen des Programms dringend nachjustiert und den tatsächlichen Erfordernissen der Praxis angepasst werden müssen. Dazu ist es erforderlich, dass entweder der Sonderfonds-Lenkungsausschuss der BKM durch instruierte Praktiker erweitert wird, oder aber unter Leitung von Vertreter:innen der BKM und der Länder eine kontinuierlich tagende Beratungsgruppe von Branchenpraktikern institutionalisiert wird. Die aktuelle Praxís, dass die größtenteils sehr komplexen Problemstellungen der Branche den Lenkungsausschuss vornehmlich nur über den Geschäftsführer des Deutschen Kulturrats erreichen, ist aufgrund dadurch zwangsläufig entstehender „Reibungsverluste“ nicht zielführend.
Jedenfalls ist es unverzichtbar, dass unverzüglich alle Änderungswünsche gesammelt und mit den Vertreter:innen der BKM besprochen und dann hoffentlich auch umgesetzt werden. Das würde nicht zuletzt auch zu einer wirtschaftlicheren Nutzung der finanziellen Ausstattung des Fonds führen.
7. Erstattung von Vorlauf- und Ausfallkosten
Die über die Überbrückungshilfe III gewährte Erstattung von Vorlauf- und Ausfallkosten für Veranstaltungen, die coronabedingt abgesagt werden musste, endete Ende Juni 2021. Diese Hilfe wurde in einer Zeit konzipiert, in der auch das Bundesministerium für Wirtschaft davon ausgegangen sein dürfte, dass die Voraussetzungen für den Erstattungsanspruch, nämlich dass zum Zeitpunkt der Planung nicht von einer coronabedingten Absage auszugehen war, nicht mehr vorliegen werden. Diese Erwartung hat sich evident nicht erfüllt. Zahlreiche Veranstaltungen, die im zweiten Halbjahr 2021 oder sogar noch 2022 stattfinden sollten bzw. sollen, wurden bereits 2019 und damit zu einem Zeitpunkt geplant, als COVID-19 noch nicht bekannt war.
Die Erstattung von Vorlauf- und Ausfallkosten muss daher rückwirkend ab 1. Juli 2021 bis 31. Dezember 2022 gewährt werden. Der Sonderfonds für Kulturveranstaltungen kann das Auslaufen der Hilfe zum Ende Juni 2021 nicht kompensieren, da sie auch von Unternehmen – z.B. Künstlervermittler:innen in Anspruch genommen werden kann, denen der Zugang zum Sonderfonds verwehrt ist.
8. Bundeseinheitliche Vorgaben für einen planbaren Umgang mit den Eindämmungsmaßnahmen
Schon im Februar 2021 stellte das Forum Veranstaltungswirtschaft in Zusammenarbeit mit dem Bundesverband Veranstaltungssicherheit eine Genehmigungsmatrix (“Matrix Restart”) vor, die eine einheitliche Entscheidungsgrundlage für die Genehmigung und Durchführung von sicheren Veranstaltungen mit entsprechenden Maßnahmen zur Risikominimierung bietet. Von anerkannten Sicherheitsexperten des Sektors erarbeitet und von allen Mitgliedern des Forums akzeptiert, stellt sie die Voraussetzung für einen sicheren Fortbestand der Veranstaltungswirtschaft dar.
Nur bundeseinheitliche Vorgaben im Bereich der Genehmigungsverfahren für Veranstaltungen sichern der Branche eine Möglichkeit zur Wiederaufnahme der kulturellen und wirtschaftlichen Tätigkeiten. Nur so kann nach so langer Zeit ein professionelles und sicheres Umfeld bei Veranstaltungen gewährleistet werden und verloren gegangenes Vertrauen der Veranstaltungsbesucher wieder entstehen.
9. Öffentliche Unterstützung für einen wichtigen Wirtschaftszweig
Die Branche benötigt ein eindeutiges Bekenntnis der politischen Führung Deutschlands zur Messeund Veranstaltungswirtschaft und zum Besuch von Präsenzveranstaltungen. Das vom Forum vorgestellte Konjunkturprogramm „Die Zukunft gemeinsam gestalten“ zeigt den Weg zu einer Stärkung des politischen Dialogs mit den Bürgern, damit aber gleichsam auch aller Sparten der Veranstaltungswirtschaft. Aktuelle wirtschaftliche und politische Themen können in Veranstaltungen integriert und so mit den Bürgern diskutiert werden. Die Unternehmen der Veranstaltungsbranche würden bei Umsetzung des vom Forum Veranstaltungswirtschaft erarbeiteten Programms, gezielt mit öffentlichen Mitteln gefördert und profitierten von einer dringend notwendigen Konjunkturspritze, die vielen Firmen das wirtschaftliche Überleben ermöglichen wird und zugleich viele Arbeitsplätze sichert.
Das Forum Veranstaltungswirtschaft ist die Allianz sechs maßgeblicher Verbände des Wirtschaftsbereichs. Dazu zählen: der BDKV (Bundesverband der Konzert- und Veranstaltungswirtschaft e.V.), der EVVC (Europäischer Verband der Veranstaltungs-Centren e.V.), der FAMA (Fachverband Messen und Ausstellungen e.V.), die ISDV (Interessengemeinschaft der selbständigen Dienstleisterinnen und Dienstleister in der Veranstaltungswirtschaft e.V.), der LIVEKOMM (Verband der Musikspielstätten in Deutschland e.V.) und der VPLT (Der Verband für Medien- und Veranstaltungstechnik e.V.).