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Mittwoch, 13. Mai 2020

Der Blick nach vorn: Hybrid kommt nicht von Hybris


Angesichts der Kontakteinschränkungen, die wir derzeit alle schmerzlich erfahren müssen, ist die Hybridisierung - also die digitale Anreicherung - von Messen in aller Munde. Das ist auch notwendig, zumal viele von uns schlicht ihre Live-Events absagen mussten. Dennoch sollten wir nicht vergessen, dass der persönliche Kontakt und das Erlebnis von Produkten und Dienstleistungen mit allen Sinnen eine ganz andere Kategorie in der Anbahnung von Geschäften darstellen.

Der chinesische Amazon-Konkurrent Alibaba hat jüngst seine Online-Messe „Heim und Gesundheit“ (vom 11. bis 24. Mai 2020) an den Start gebracht. Wer sich dort einmal umsieht, stellt schnell fest, dass hier vorrangig unterkomplexe Produkte, angereichert mit zahlreichen Präsentationsvideos oder sogenannten „Real Time Meetings“ mit - vorwiegend chinesischen - Ausstellern gehandelt werden.


Die Kategorie „Top-Sellers“ wird von Produkten dominiert, die sich in einer Preisspanne zwischen 0,13 und 29,90 USD bewegen. Als Exot präsentiert sich mitten darunter eine „PP S Non Woven Fabric Machine“ mit einer Preisspanne bis 1.500.000,00 USD. Diese kann man direkt mit VISA oder per Western Union Transfer bezahlen. Die Maschine befindet sich dabei übrigens in der Kategorie „Top-Sellers“ in illustrer Gesellschaft mit falschen Wimpern, pinken Fleece-Hausschuhen oder Flüssigseifen-Pumpspendern.

Hybrid kommt nicht von Hybris - also Überheblichkeit oder Vermessenheit - sondern von einer Mischung aus zwei Welten. Diese Mischung sollte, im Sinne des Nutzenversprechens an die Kunden, von dem besten aus zwei Welten getragen sein. Für die Anbieter der Produkte mag sich Alibabas Ansatz im Einzelfall sogar noch auszahlen. Für die potenziellen Käufer allerdings ist das neudeutsch „User-Experience“ genannte Kundenerlebnis der „Heim und Gesundheit“ Messe ziemlich eingeschränkt. Schwer vorstellbar, dass sich in unserem Wirtschaftssystem jemand ungestraft trauen dürfte, sowas „Messe“ zu nennen.

Dennoch sollten wir - selbst angesichts solch haarsträubend anmutender Bemühungen - nicht selber der Hybris anheimfallen. Denn eines ist klar: Alibaba ist schnell und funktioniert allem Anschein nach hoch professionell und automatisiert. Das kratzt am Marktpotential der echten Messen und chinesische Lernkurven sind erfahrungsgemäß steil. Wir tun also gut daran, uns auf unsere Stärken zu besinnen und unseren Kunden - auch und gerade mit digitalen Ergänzungsangeboten - klare, aufrichtige und realistische Leistungsversprechen zu geben. Und wir müssen die Qualitätsfahne des einmaligen Erlebnisses hochhalten. Am liebsten natürlich live und vor Ort. Wie schön, wenn diese Zeiten endlich wiederkommen.